Es lohnt sich immer den Blick zu weiten und auch Veranstaltungen zu besuchen, die nur am Rande mit Fundraising zu tun haben. So sitze ich im Eröffnungsvortrag der re:campaign, einer Tagung für Online-Kommunikation. Elisabeth Wehling spricht über Framing. Sie erklärt, dass Frames Deutungsrahmen sind, die durch ein Wort in unserem Gehirn aktiviert werden. So wird der Begriff „Steuer“ oft durch Frames wie „Last“ oder „Erleichterung“ geprägt. Die Steuer erscheint dadurch als etwas Belastendes, von dem man erleichtert werden muss. In diesem Frame spielen positiven Aspekte der Steuer keine Rolle. Fragen Sie sich gerade, was das Positive an Steuern sein soll? Das zeigt, wie der Frame funktioniert. Schließlich haben wir (fast) alle von gemeinschaftlich finanzierter Bildung profitiert, fahren über gemeinschaftlich finanzierte Straßen usw. Hier habe ich ebenfalls einen Frame benutzt. „Gemeinschaftlich“, ich hätte auch „kostenlose“ Bildung schreiben können oder staatlich gebaute Straßen. Das hätte andere Bedeutungsmuster aktiviert. Der Frame prägt so die Grundeinstellung auf ein Thema unbewusst, auf kognitiver Ebene. Mit weitreichenden Folgen. So werden Fakten, die dem Frame widersprechen, schlechter wahrgenommen.
Nehmen wir als Beispiel den Begriff „Verwaltungskosten“. Verwaltung assoziiert nichts Positives, sondern Bürokratie und Ineffizienz. Wer verwaltet, arbeitet nicht aktiv. Der Begriff ist auch nicht dynamisch, er impliziert Starrheit. Noch schlimmer ist es im Englischen „Overhead“. Das wächst einem direkt über den Kopf hinweg. Überflüssig wäre da beschönigt, die Assoziation ist eher die einer Gefahr. Wenn Fundraiser stolz einen Button mit der Aufschrift „I’m Overhead“ tragen, aktivieren sie damit den Frame zusätzlich und verstärken ihn. Innerhalb eines Frames können wir nicht gegen die Denkweise argumentieren, die der Frame vorgibt. Wenn wir also die Debatte um Verwaltungskosten verändern wollen, dürfen wir den Begriff „Verwaltungskosten“ nicht verwenden. Ein Verneinen eines Frames aktiviert den Frame und lenkt die Wahrnehmung in bekannte Bahnen. Solange wir von Verwaltungskosten sprechen, erzeugen wir in uns und anderen ein negatives Bild von Verschwendung, Ineffizienz und schlecht verwendeten Spenden.
Tatsächlich ist das nicht der Fall. Zu den Verwaltungskosten werden alle Kosten gerechnet, die die Arbeit anderer unterstützen und sie dadurch besser machen. Oder soll in einem Krankenhaus der Chefarzt selbst ans Telefon gehen? Natürlich nicht. Dafür hat er eine Sekretärin, die ihm ermöglicht, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Der Sozialarbeiter einer Obdachlosenhilfe muss seine Zeit nicht mit Buchhaltung verschwenden. Dafür hat seine NGO Experten eingestellt. Ohne diese Unterstützung wären es gar nicht möglich, in einer Organisation effektiv zu arbeiten. Der Frame Verwaltungskosten führt völlig in die Irre. Angemessener wäre es, von Unterstützungskosten zu sprechen. Oder, noch geeigneter, vom Unterstützungsanteil einer Spende. Das ist als Frame vollkommen angemessen. Wenn wir so Sinnvolles als sinnvoll darstellen, können wir es auch besser vom eigentlichen Problem trennen, von Verschwendung und Betrug. Eine Differenzierung die der Frame „Verwaltungskosten“ fast nicht erlaubt, weil er alles als Verwaltung definierte als negativ abstempelt.
Nach Abschluss ihres Vortrags wird Elisabeth Wehling gefragt, ob Frames nicht eine Manipulationstechnik sind. Ob man fairerweise nicht neutral kommunizieren müsse? Ihre Antwort ist eindeutig. Aus Sicht einer Kommunikationswissenschaftlerin ist das naiv. Wir können Sprache nur über Bilder und Begriffsmuster verstehen. Die Frage ist nicht, ob wir Frames benutzen, sondern nur welche. Sobald wir Frames verwenden, die unsere Aussage nicht unterstützen, werden wir mit unserem Anliegen nicht durchdringen. Es lohnt sich also, bei jedem Spendenaufruf darüber nachzudenken, ob die benutzten Frames und Metaphern eine Entscheidung für eine gemeinnützige Spende unterstützen, oder nicht. Nehmen wir z. B. das Wort Zahlung. Zahlung impliziert eine kommerzielle Transaktion. In diesem Bedeutungsrahmen sind Sie ein Dienstleister und der Spender ihr Kunde. Ein Dankbrief, der mit dem Satz „Vielen Dank für Ihre Zahlung …“ beginnt, begründet damit ein Dienstleister-Kunden-Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Spender. In diesem Kontext wird der Brief gelesen und verstanden. Schreiben Sie hingegen „Vielen Dank für Ihren Beitrag …“, trägt der Spender zu etwas Gemeinsamen bei und Sie prägen ein anderes Verhältnis zu ihm. Ob Sie das wollen, oder ob Sie sich Dienstleister sehen, wichtig ist den jeweils passenden Frame auszuwählen.
Zuerst 2017 im Fundraiser Magazin veröffentlicht.